Juli 2015
Nur neun Prozent der Berliner Startups werden von Frauen gegründet, während es laut aktuellem Global Startup Ecosystem Ranking in London mit 18 Prozent doppelt so viele sind. Mit der DWOMEN – platform for women in digital business möchten Sonja Kardorf, Vorstandsmitglied der IBB, und Andrea Peters, Vorstandsvorsitzende des media:net, dem entgegentreten und Gründerinnen zu Networking und Austausch zusammenbringen. Impulsgeberin der ersten Ausgabe war Joana Breidenbach, promovierte Kulturanthropologin und Publizistin, Weltreisende und Kolumnistin, Kinderbuchautorin und Mitgründerin der Online-Spendenplattform betterplace.org. Was aber treibt die digitale Weltverbesserin Joana Breidenbach an? Zeit für ein Porträt.r
“In Wirklichkeit war es mein Mann, der die Idee hatte, ein Ebay für Hilfe aufzubauen”, gibt Breidenbach gleich zu Beginn unumwunden zu. Sie selbst hatte, “weil er sehr viele Ideen hat” anfangs das “Ja, aber” im Blick. Als sich Joana Breidenbach, ihr Mann Stephan und die beiden Kinder jedoch 2006 – Joana hatte zuvor fast 9 Jahre als Ethnologin und Publizistin gearbeitet – eine 5-monatige Weltreise unternahmen, kam es zum Magic Moment. “Wow, wenn jemand die Choki Art School in Bhutan kennen würde und ich als Vertrauensbrücke sage, die machen tolle Arbeit, und die können diese auch darstellen, dann werden sich mehr Menschen engagieren” – mit diesem Gedanken wurde aus einem “Ja, aber” ein “Wieso eigentlich nicht?!”
Kurz nach ihrer Weltreise entstand im Jahr 2007 nach einem Merger betterplace.org. Mit auf die Gründungsreise der damals 41-Jährigen gingen nicht nur Co-Gründer Till Behnke, damals 28 und Wirtschaftsinformatiker, sondern mit Jörg Rheinboldt passenderweise auch der Gründer von Ebay Deutschland. Bis heute hat sich betterplace die Diversität seines Teams erhalten. Aus gutem Grund: “Unser Erfolg bei betterplace hat total damit zusammen gehangen, dass wir ein sehr diverses Gründerteam waren.” Bereits Joanas Weltreise zeichnete sich durch das Verbinden der Gegensätze aus. “Wir haben zum Teil sehr rough gewohnt”, erzählt Joana, die als Ethnologin den Zugang zur Basis hatte. Zwischendrin gönnte sich die Familie aber auch Aufenthalte in schicken Hotels.
Dieser Spagat findet sich heute gleichsam auf betterplace.org. Ausgehend von dem Erlebnis mit der Choki Art School, die traditionelle bhutanesische Kunst und Kunstfertigkeit lehrt, wurde es zur Philosophie, gerade kleinen, regionalen Projekten aus aller Welt eine Plattform zu bieten. Zunehmend, auch durch Dienstleistungen für Organisationen wie die Sparkassen oder die Stiftung Deutsche Bahn, durch welche sich betterplace nunmehr selbst refinanziert, wurden die “großen” Fundraiser auf die Plattform aufmerksam. Heute sammeln auch Unicef oder das Rote Kreuz Spenden über betterplace.org – “aber unsere Kernzielgruppe sind eindeutig kleinere, mittlere Projekte, die sonst nicht so sichtbar wären”, bekräftigt Joana.
Diese Entwicklung zeigt das zunehmende Potenzial des Internet und der Crowd für soziales Engagement. Zwar sind die rund 25 Millionen Euro Spendenvolumen, die bisher über betterplace vermittelt wurden, kein Vergleich zu den jährlich rund 4 Milliarden Euro Spendenaufkommen in Deutschland. Dennoch zeigt sich ein großes Wachstum gegenüber dem Jahr 2010, als es noch 2,5 Millionen Euro Spenden waren. Für das laufende Jahr geht Breidenbach von 10-12 Mio. Euro Spendenvolumen aus – Tendenz steigend, denn: “das Weihnachtsgeschäft kommt ja noch.”
Mittlerweile kommt Joana ihre Vergangenheit als Forscherin in dem von ihr im Jahr 2010 unter dem Motto “Begegnen wir sozialen Problemen mit digitalen Lösungen” gegründeten betterplace lab zugute. Hier und beim betterplace_labtogether am 20. November sollen die Potenziale von digitaler Nothilfe und die Anwendbarkeit des Internet of Things für soziale Zwecke, sowie neue Arbeitsformen im Zeitalter der Digitalisierung, untersucht werden. Seit einiger Zeit herrscht auch im betterplace lab eine neue Bürokultur, bei der Joana die Position der Godmother, so ihr neuer Jobtitel, bekleidet: “Ich beobachte das Ganze und halte den Raum für das, was da stattfindet, aber wir haben eine kompetenzbasierte Hierarchie aufgebaut.”
Unternehmensgründung, Initiierung des betterplace lab und Vorträge in allen Teilen der Welt – kommt da die Familie nicht zu kurz? “Ich wollte meine Kinder definitiv nicht outsourcen”, meint Joana mit Blick auf die Gründungsjahre von betterplace. “Als Frau war es für mich auf jeden Fall positiv, dass ich es geschafft habe, Privatleben und berufliches Engagement zu verbinden.” Beides zusammengelegt hat sie mit dem Kinder- und Jugendprojekt betterplace junior, welches der Choki Art School ein neues Basketballfeld bescherte. Just diese Leidenschaft ist es, die digitale Gründrinnen neben Organisationstalent und Erfindungsreichtum mitbringen müssen. “Du brauchst viel Überzeugungskraft – ich würde es so beschreiben, dass man in Kontakt ist mit seinem eigenen Gestaltungswillen und mit seiner eigenen Selbstwirksamkeit – und sehr viel Bereitschaft, Tag und Nacht zu arbeiten.” Wiederum werden hier gegenseitige Pole verbunden: Fleiß und Organisation auf der einen Seite, auf der anderen müssen Gründerinnen aber auch eine Punk-Attitüde mitbringen, wie sie Joana als Jugendliche auf dem College in England für sich entdeckte. “Mit Punk meine ich Radikalität. Es ist wichtiger denn je in unserer Gesellschaft, dass du deinem eigenen Weg folgst. Unsere Welt ist total unfertig. Alles was wegweisend ist, was wirklich etwas Neues ist, ist ein Schritt ins Unbekannte. Sonst ist es keine Zukunft.”
Wir sind gespannt auf die nächsten Schritte von Joana und wagen selbst einen nach vorn: Am 10. Dezember wird Dr. Stephanie Caspar anlässlich der nächsten DWOMEN – platform for women in digital business die Geschichte ihres Werdegangs mit uns teilen.
Text: Max Duhr