Ein media:net Spotlight von Dr. Alexandra Henkel, Partnerin FPS Rechtsanwälte & Notare, Fachanwältin für Arbeitsrecht, Wirtschaftsmediatorin, Business Coach
Das media:net Spotlight basiert auf dem Vortrag “Update Arbeitsrecht zu digitalen Arbeitswelten” im Rahmen von HR_network am 7. März.
Wenn man sich näher mit der NEW WORK Bewegung befasst, dann hat man manchmal das Gefühl, es handele sich um eine Parallelwelt zu unserer “alten” Welt. Die “alte” Arbeitsgesetzwelt geht davon aus, dass der Arbeitgeber die Verantwortung trägt, den Mitarbeitern Einzelweisungen erteilt, den Mitarbeitern insgesamt feste Rahmenbedingungen und Sicherheit geben muss (z.B. Arbeitsort, Arbeitszeit, Präsenspflicht), für Arbeitssicherheit sorgen und kontrollieren muss.
Der NEW WORKER hat offensichtlich nicht mehr so viel Bedürfnis nach einem festen Rahmen und Sicherheit, sondern will mehr Freiheit durch Flexibilisierung und Eigenverantwortung. So habe ich zunehmend Arbeitgebermandanten, die nicht mehr Einzelweisungen erteilen, sondern Teamprojekte auf Dash Boards präsentieren, anhand derer die einzelnen Mitarbeiter sich ihre Aufgaben und Teams suchen und eigenverantwortlich einteilen. Es zählen die Ergebnisse und nicht die Präsenz im Unternehmen. Unternehmen gehen dazu über, keine festen Arbeitsplätze mehr zu haben, stattdessen digitale Arbeitsplätze, Home Office-Möglichkeiten, gearbeitet wird überall, zu Hause, an öffentlichen Plätzen, es gibt virtuelle Meetings der Cloud-Worker, digitale Teams und weltweite Zusammenarbeit unterschiedlicher Nationalitäten. Auch feste Arbeitszeiten gehören der Vergangenheit – der „alten“ Welt -an. Kein großes Unternehmen kommt mehr an Arbeitszeitflexibilisierung vorbei. Microsoft, Adidas, BASF, u.a. , alle haben sie flexible Arbeitszeiten oder sogar Vertrauensarbeitszeit mit den Betriebsräten vereinbart. Die NEW WORKER wollen außerdem mehr Demokratisierung. Bei Haufe – umantis, einem Personaldienstleister, haben die 120 Mitarbeiter ihre Chefs, ihre Führungskräfte selbst gewählt. Über Urlaubsgenehmigungen entscheiden die Kollegen in ihren Teams, nicht die Chefs. NEW WORKER wollen mehr Mitverantwortung haben, sehen sich mehr als Mitunternehmer. Motivation erfolgt zunehmend durch Mitarbeiteranteile oder virtuelle Anteile (Phantom Stocks) am Unternehmen, wobei hier besonders Wert auf die vertragliche Ausgestaltung zu legen ist, um nicht z.B. bei Kündigung des Mitarbeiters als Arbeitgeber böse Überraschungen zu erleben.
Muss auf diese “Revolution in der Arbeitswelt” nicht jetzt auch eine Neuordnung der Arbeitsgesetze erfolgen? Ich meine ja. Klar, im Moment müssen die geltenden Arbeitsgesetze eingehalten werden, was für die Parallelwelt der NEW WORK Unternehmen nur schwer handelbar ist:
Denn es sind zum Beispiel die Regelungen des Heimarbeitsgesetzes und die darauf beruhenden Rechtsverordnungen einzuhalten, genauso wie natürlich sämtliche Arbeitsschutz-, Arbeitssicherheits- und Gesundheitsschutzregelungen, Arbeitsstättenverordnungen, einschließlich des Arbeitszeitgesetzes mit z.B. einer zwingenden Ruhezeit von 11 Stunden. Wenn aber ein Arbeitgeber dem Mitarbeiter überlässt, wann und wo er arbeitet, dann ist dies in der Praxis schwer zu gewährleisten. Eine Kontrolle der Einhaltung ist bei digitalen Arbeitsplätzen fast nicht möglich. Ein Problem stellen zudem die Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten z.B. nach dem Arbeitszeitgesetz und nach dem Mindestlohngesetz dar. Nach § 16 Abs. 2 Arbeitszeitgesetz ist ein Arbeitgeber verpflichtet, sämtliche über 8 Stunden pro Tag hinaus gehenden Arbeitsstunden aufzuzeichnen und mindestens 2 Jahren aufzubewahren. Nach § 17 des Mindestlohngesetzes muss der Arbeitgeber grundsätzlich von allen Mini-Jobbern und darüber hinaus für alle Mitarbeiter in bestimmten Branchen (z.B. Baugewerbe, Gaststättengewerbe, Speditionen und Logistik, Gebäudereinigung) mit niedrigen Gehältern, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit aufzeichnen und diese Aufzeichnungen mindestens zwei Jahre aufbewahren.
Wie viele der NEW WORK Unternehmen können dies alles gewährleisten? Es drohen durchaus saftige Bußgelder, wobei heute noch ungeklärt ist, inwieweit diese Pflichten mit der ab Mai 2018 direkt anwendbaren EU-Datenschutzgrundverordnung kollidieren.
Die meisten flexiblen Arbeitszeitregelungen wie z.B. (Lebens-) Arbeitszeitkonten, Vertrauensarbeitszeit, erfordern genauso wie z.B. technische Leistungskontrollmöglichkeiten eine Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat oder sind in Tarifverträgen geregelt. Ähnliches gilt für Datenschutzregelungen und auch die Regelung der privaten Nutzung von Unternehmenslaptops, Firmenhandys, E-Mail, Internet, etc. Das Unternehmen sollte hier Regelungen mit dem Betriebsrat und den einzelnen Arbeitnehmern treffen, denn er kommt sonst bei ungeregelter Gewährung der privaten Nutzung schnell in den Konflikt mit den Gesetzen wie z.B. Bundesdatenschutzgesetz. Im Zusammenhang mit der Nutzung von Technik sollte ein Arbeitgeber immer daran denken, wie er z.B. im Fall von Krankheit oder Kündigung, oder auch bei Straftatverdacht an die Daten gelangen kann, welche Einsichts- und Kontrollrechte er hat etc. Datenschutz allgemein, Beschäftigtendatenschutz, sowie geistiges Eigentum und Arbeitnehmererfindungen sind sehr wichtige Themen der Zukunft.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat zumindest das Thema der veränderten Arbeitsbedingungen erkannt und einen Prozess “Arbeiten 4.0” durchgeführt, der jüngst mit der Vorlage des Weißbuches endete. Die Gefahr ist aber, dass hier NEW WORK – Theoretiker Gesetze für die NEW WORK- Praxis erarbeiten wollen – kann das etwas werden?
Abgesehen von dem Gesetzgeber werden in Zukunft die Unternehmen gefragt sein. Denn es wird darum gehen, die Digital Worker dazu zu befähigen, mit der gewachsenen Selbstverantwortung und Eigenverantwortung durch Digitalisierung, Flexibilisierung und Demokratisierung klar zu kommen und von der digitalen Welt nicht überfordert zu werden. Zu denken ist an Einzelcoachings, genauso wie an besondere Schulungen und Trainings für Führungskräfte, die internationale Digitalteams leiten müssen – interkulturelle Kompetenzen, sind genauso gefragt wie Diversity Management und Konfliktmanagement. Viele Mitarbeiter müssen vor sich selbst geschützt werden, es gibt Unternehmen, die bereits jetzt zu bestimmten Zeiten die Mitarbeiter von den Firmenmails “abdoggen”, VW schaltet eine halbe Stunde nach Arbeitsende die Weiterleitung von dem Mailserver auf die Blackberrys tariflicher Mitarbeiter ab. In Frankreich hat der Gesetzgeber schon einen Anspruch der Arbeitnehmer, “abzuschalten” als Rahmenregelung eingeführt, die durch die Tarifparteien in die Praxis umgesetzt werden soll.
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Datum: 29.03.2017