1. Herr Dehler, die GEFTA mbH begleitet Unternehmen bei der Dezentralisierung von Arbeitsplätzen – insbesondere wenn es darum geht, Mitarbeiter und externe Fachkräfte über Home-Office anzubinden. Jetzt könnte man konkludieren, dass die Coronakrise eine große Nachfrage nach Ihrer Expertise hervorgerufen hat. War dem so? Welche Unterschiede konnten Sie in den Bedürfnissen der Unternehmen und dem Stellenwert in Sachen Homeoffice im Vergleich zu den vergangenen Jahren feststellen?
    • In der Tat ist es so, dass die Pandemie organisatorische und strukturelle Defizite in Unternehmen und im gesamten Arbeitsmarkt schonungslos offengelegt hat. Für unnötig bis unmöglich gehaltene Veränderungen wurden massiv beschleunigt, insbesondere was die Digitalisierung angeht. Unternehmen, die Homeoffice bislang skeptisch bis ablehnend gegenüberstanden, haben im Hauruckverfahren Mitarbeiter ins Homeoffice entsendet.
    • Ich möchte behaupten, dass Corona die Nachfrage nach unserer Expertise nicht direkt erhöht hat, denn die Krise hat die Organisationen quasi gezwungen Homeoffice über Nacht einzuführen, ob sie es wollten, konnten oder nicht. Indirekt nehme ich durchaus eine erhöhte Nachfrage war, denn viele Unternehmen und Organisationen haben die Vorzüge real kennengelernt und wollen nun aus dem unsicheren Krisenmodus herauskommen und dauerhaft zuverlässige Homeoffice-Arbeitsstrukturen anbieten. An der Stelle werden wir nach zuverlässigen und rechtssicheren Zielstrukturen gefragt und begleiten Unternehmen ins Homeoffice. Insofern hat sich die Fragestellung vom „Warum sollte ich Homeoffice erlauben oder einführen?“ hin zu „Wie geht Homeoffice richtig und sicher?“ gewandelt. Gefta ist nun mehr in der Rolle einer Apotheke als in der eines Evangelisten.
    • Auf Basis unterschiedlicher Befragungen lässt sich für die nächsten Monate und Jahre eine klare und deutliche Zunahme der Arbeitsortflexibilisierung prognostizieren. Homeoffice wird zum festen Bestandteil von Organisationsstrategien und durch die gesteigerte Produktivität und Zufriedenheit von (vielen, nicht allen) Mitarbeitern einen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit leisten. Die Initiative des Bundesarbeitsministeriums, das „Recht auf Home-Office“ gesetzlich zu verankern, könnte der Arbeitsortflexibilisierung weiteren Vorschub leisten.
  2. Stichpunkt Rechtssicherheit: Kann ein Unternehmen heutzutage sicherstellen, dass in punkto Homeoffice rechtlich und datenschutztechnisch alles abgesichert ist? Welche Sorgen und Ängste bestehen hierzu in der Wirtschaft? Gibt es konkrete Handlungsempfehlungen Ihrerseits?
    • Derzeit arbeiten die meisten Unternehmen – noch – in einem Krisenmodus mit datenschutzrechtlichen Ausnahmeregelungen. Für die dauerhafte rechts- und datenschutzsichere Betriebsführung müssen Unternehmen jedoch zeitnah und konsequent dafür sorgen, dass rechtliche Auflagen und Rahmenbedingungen her- und sichergestellt werden. Die größte Sorge von Entscheidern dreht sich um die Frage nach der Rechtssicherheit im Homeoffice und ob Telearbeit – wie Homeoffice auch genannt wird – bei bestimmten beruflichen Tätigkeiten aus datenschutzrechtlichen Gründen unzulässig ist. Hier gibt es leider kein klares ja oder nein. Jeder Handlungsauftrag sollte unternehmensindividuell dahingehend geprüft werden, welche Schutzwürdigkeit der Daten vorliegt und ob und in welcher Weise die Daten im Homeoffice datenschutzrechtlich vertretbar bearbeitet werden können. In der Praxis hat sich die Annäherung über eine technische Machbarkeitsprüfung hin zur Datenschutzfolgenabschätzung bzgl. bestehender und bleibender Risiken bewährt. Eine hundertprozentige technische Sicherheit wird es realistisch betrachtet nie geben, doch zumindest kann und sollte jede Organisation den relevanten Risiken auf Basis des technischen Status Quo wirkungsvolle technische Lösungen gegenüberstellen und bewerten.
  3. Schauen wir etwas in die Zukunft: Die arbeitende Bevölkerung kehrt nach und nach an die Arbeitsplätze zurück. In der Politik gibt es die Überlegung, ein Recht auf Homeoffice gesetzlich zu verankern. Wie schätzen Sie die Zukunft des Arbeitens von zu Hause oder unterwegs ein? Werden wir auf Grund der Erfahrungen während der Pandemie zukünftig weniger in Büros arbeiten?
    • Die Pandemie-Erfahrung war sicherlich der Kickstarter für eine neue Normalität in der Arbeitswelt. Vier von zehn Arbeitnehmern werden auch weiterhin von zu Hause arbeiten wollen und Homeoffice wird zum fest etablierten Bestandteil der hybriden Arbeitsorganisation werden. Als hybride Arbeitsorganisationen bezeichnen wir Tätigkeiten, die nicht ausschließlich im Homeoffice oder ausschließlich im Büro des Arbeitgebers stattfinden, sondern zwischen diesen wechseln. Hierbei wird in der Fachwelt von „alternierender Telearbeit“ gesprochen. Je nach betrieblicher Praxis werden wir alternierende Telearbeit in vielfältigen Ausprägungsformen im Alltag vorfinden.
    • Die Verbreitung und Akzeptanz von Homeoffice geht mit der technisch-organisatorischen Machbarkeit und Lösung einerseits und der personellen Eignung andererseits einher. Bei allen Vorteilen und Chancen, die Homeoffice bietet, ist diese Arbeitsform nicht für jeden Mitarbeiter geeignet. Personalverantwortliche sind gut beraten sich mit der Frage zu beschäftigen, wie eine eignungsdiagnostische Analyse der Mitarbeiter für das Homeoffice aussehen kann und welche Implikationen sich für die „Führung auf Distanz“ dieser Mitarbeiter ergeben. „The right person in the right place“ gilt als Paradigma für die Arbeitsortflexibilisierung.
    • Aus ökologischer Sicht ist Homeoffice herzlich willkommen, denn jeder nicht gefahrene Personenkilometer reduziert CO2 und schützt unsere Atemluft und das Klima.
  4. Ihr Tipp fürs Home Office?
    • Sorgen Sie für eine klare Trennung von Arbeitszeit und privater Freizeit. Im Homeoffice besteht die Gefahr beides zu vermischen und Dauer-On zu sein.

 

Juni 2020