1. Seit 30 Jahren gestalteten Sie die Musikevents Berlins, Europas, der Welt, erfinden Festivalformate neu, sind erfolgreich kulturverständigend unterwegs. Worauf sind Sie im Rückblick auf 30 Jahre Erfolgsgeschichte Piranha besonders stolz?
    • Wie sagte Alt-Bundespräsident Gustav Heinemann – Stolz bin ich auf meine Frau, fertig? So ähnlich. Sagen wir: Wir sind noch und immer wieder freudig erregt darüber, dass wir als Unternehmen immer noch am Leben sind! Dass wir so schnell herausgefunden haben, dass Berlin nicht an seinen Stadtgrenzen endet. Dass es uns stabil gelingt – Piranha Arts macht circa 2/3 seiner Umsätze international – dazu beizutragen, internationales Flair, internationale Erfahrung und internationales Know-how in die Stadt zu holen und umgekehrt wieder in die Welt hinauszutragen. Wir haben ein internationales und diverses Team von 3 Dutzend Mitarbeitern, die mit Piranha konstant ihre wirtschaftliche Existenz sichern. Mit unserem Plattenlabel und lokalen Produktionen wie aktuell dem Karneval der Kulturen oder früher Heimatklänge, Fete de la Musique und vielen mehr. Mit den in Europa rotierenden Eigenproduktionen WOMEX und Classical:NEXT. Mit Beratungsaktivitäten von China bis Kuba, Afrika bis Brasilien, den Kapverden bis Kolumbien. Wir können es in mancher Beziehung immer noch mit links mit unserem Schutzheiligen The Big Lebowski aufnehmen. Wichtig ist es, Labor zu bleiben, der Profitmaximierung ein Schnippchen zu schlagen und den ganzen Kitsch loszuwerden, den man immer wieder von neuem mit sich herumschleppt.
  2. Im Juni hat Piranha den jährlichen Karneval der Kulturen unter dem Motto „Celebrating Peace and Freedom“ organisiert, bis kurz vor knapp fehlte die Finanzierungszusage Berlins, so lese ich. Dabei sind Festivals wie der Karneval der Kulturen auch ein Touristenmagnet, es fließen Gelder in die Stadt. Was muss sich aus Ihrer Sicht langfristig, aber nicht erst in 30 Jahren, in Punkto Kulturförderung ändern?
    • Die Strahlkraft des Karnevals der Kulturen in mancher Beziehung kann überhaupt nicht überschätzt werden. Die größte Straßenparade Berlins, die bei weitem größte Manifestation der Diversität im Lande, und vor allem auch die Lust, die Freude und das Vergnügens an der Vielfalt der Kulturen. Die Regionaleffekte verschiedenster Art, die beim Karneval der Kulturen aus der Stadt selbst heraus mit internationalen Gleichgesinnten produziert werden, sind enorm. Eine Veranstaltung dieser Größenordnung – die Besucherzahlen sind ja siebenstellig – wird allerdings nicht in ein paar Wochen um Pfingsten herum gebaut; daran muss das ganze Jahr gearbeitet werden, dafür braucht man eine Planungssicherheit. Um sie mittel- und langfristig weiterzuentwickeln braucht man Langfristigkeit. Das geht nicht, wenn man sich Jahr für Jahr wieder auf verschiedene Fördertöpfe bewerben muss. Wenn die Stadt einen solchen Leuchturm will, muss die Veranstaltung in den jährlichen Haushalt eingestellt werden.
  3. Dieses Wochenende findet in Hamburg der G20-Gipfel statt. Sind große Musikfestivals wie Live Aid vor 31 Jahren, Live 8 in 2015, aber auch der Karneval der Kulturen oder die Nights of Ramadan in unruhigen Zeiten gar bessere, globale Verständigungsinstrumente als ein G20-Gipfel? Platt gefragt: Was können die Weltpolitiker von Piranha lernen?
    • Über die Vor- und Nachteile von Live Aid und Live 8 kann man gut streiten, vor allem auch in ihrer Symbolkraft – aber sie ersetzen sicher keine politischen Gespräche und Verhandlungen. Auch wenn wir Kultur als ein Eco-System mit eigenen Gesetzen verstehen, sind wir mit unseren Aktivitäten wie z.B. WOMEX oder Classical:NEXT gar nicht so weit von G20 entfernt. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen von Leuten, mit denen man reden kann oder soll, aber wie es funktioniert, muss man schon selber rausfinden. Und wenn die Damen und Herren Politiker dabei dann ein paar unserer Essentials im Blick behalten können, ist es sicher alles andere als verkehrt: Grenzen müssen durchlässig sein! Internationale Zusammenarbeit – mit Betonung auf zusammen und auf gleicher Augenhöhe – ist im Zeitalter der Globalisierung das A und O! Aktiv und konstruktiv mit allen Beteiligten leben, reden, feiern! Es ist ein großer Reichtum, dass die Welt so unterschiedlich ist – und so viele unterschiedliche Kulturen, Sprachen, Ess- und Trinkvorzüge oder Musik produziert! Cesaria Evora, Mozart oder Rihanna, Musik ist immer gut – bloss nicht immer dieselbe. Unterschiedliche Musik ist gut für die geistige Gesundheit, egal ob für Jedermann oder Weltpolitiker.

 

Check in – check it out! 30 Jahre Piranha Arts auf CD.

Datum: 07.07.2017

Profil von Piranha Arts

Piranha Arts030 31861417 fabienne.krause@piranha-arts.com http://www.piranha-arts.de/

Piranha wirkt seit drei Jahrzehnten in der Stadt und weltweit und ist mit einem über 30-köpfigen Team als Veranstalter, Kurator, Entwickler und Multiplikator aktiv.

Profil