Rückschau von Xenia Günther

Nach begrüßenden Worten durch den Aufsichtsratsvorsitzenden des media:net, Bernd Schiphorst, und Helge Jürgens (Medienboard Berlin-Brandenburg), betrat Boris Wasmuth (Geschäftsführer GameDuell) die Bühne und stellte den Gästen seine Initiative der Leaders for Climate Action vor.

Der Klimawandel ist allgegenwärtig und Bewegungen wie „Fridays for Future“ und der globale Klimastreik zeigen, dass sich immer mehr Menschen für den Erhalt unserer Erde und eine grünere Politik einsetzen. Auch in der Medien- und Digitalbranche formen sich zunehmend Stimmen, die Worten nun Taten folgen lassen wollen. Mit der Initiative Leaders for Climate Action hat sich die Digitalszene auf den Weg gemacht, sich dem Klimawandel aktiv entgegenzustellen – denn die Politik allein scheine das Problem nicht bewältigen zu können, so Wasmuth.

Keine Zeit, keinen Plan und kein gutes Szenario

Die Zeit drängt. Um den Klimakollaps aufzuhalten, ist Boris Wasmuth eins klar: Es muss etwas geschehen, das das gesamte System beeinflussen kann. Es braucht einen Plan. So kam die Idee zu den Leaders for Climate Action auf. „Ein Klimaproblem ist vor allem ein Marktversagen“, sagte Boris Wasmuth. „CO2 hat keinen Preis“. Der Kern der Forderungen der Initiative an die Politik liege daher in einer angemessenen CO2-Bepreisung. Auch die Wissenschaftler*innen und Klimaexpert*innen hätten sie damit auf ihrer Seite. Die Initiative wolle allerdings nicht nur fordern, sondern auch einen eigenen Beitrag leisten. Es gehe hier nicht um Perfektion, sondern um ergebnisorientiertes, fortschrittliches Denken. Leaders for Climate Action besteht nicht aus Klimaexpert*innen – Klimaschutz ist auch ein Lernprozess für Unternehmer*innen. Es geht darum, mit kleinen Schritten voranzugehen und zu schauen, was möglich ist – sei es mehr Bahn zu fahren, auf Ökostrom umzusteigen, keine Inlandsflüge mehr zu buchen, Recycling-Papier zu nutzen und noch vieles mehr.

„Wir beobachten eine Angststarre bei der Politik“

Die CO2-Bepreisung sei laut Boris Wasmuth viel zu flach angesetzt. Man könne dies auch sozialverträglich umsetzen, dafür gebe es einige Methoden. Außerdem gebe es bereits jetzt beachtliche technologische Fortschritte, um den CO2-Gehalt in der Luft einzudämmen. Leider würden aber nach wie vor die Risiken betrachtet: „zu teuer“ sei dabei der lauteste Ruf. Warten, so Wasmuth, führe aber letztendlich zu noch mehr Kosten. Der Geschäftsführer von GameDuell zitierte dafür eine Studie, die besagt: Das fossile Zeitalter ist zu Ende. Die erneuerbaren Energien werden in den nächsten Jahren immer mehr an Bedeutung gewinnen. „Wenn wir also jetzt nicht die Chance ergreifen, aktiv am Wandel mitzuarbeiten, werden wir in Zukunft nicht mehr wettbewerbsfähig bleiben.“ Wir müssten jetzt Produkte als „first mover“ selbst entwickeln, um sie später nicht kaufen zu müssen. Dies erfordert Mut und die Zusammenarbeit von vielen.

Abschließend leitete Boris Wasmuth mit dem Zitat „Wir müssen das Notwendige möglich machen“ auf den nächsten Speaker über: Direktor sowie Chefökonom am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung PIK Prof. Dr. Ottmar Edenhofer.

Das Klimathema sei neben der Digitalisierung eines der ganz großen Megathemen, so Prof. Dr. Edenhofer. Es sei allerdings kein Umweltthema. Die Frage, wie wir mit dem Klimathema umgehen, entscheidet darüber, ob wir im 21. Jahrhundert Wohlstand haben werden oder nicht.

 

„Im Kern ist die Klimapolitik Teil der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik. Im 21. Jahrhundert werden die sogenannten globalen Gemeinschaftsgüter der Menschheit – die Atmosphäre, die Ozeane, die Wälder, die Böden – ganz entscheidend mit darüber bestimmen, ob wir nachhaltige Grundlagen haben für unsere Wirtschaft.“

 

„Die Emissionen müssen Null werden“

Es gehe bei der Politik also gar nicht darum, dass wir jährlich ein bisschen weniger Emissionen haben, sondern darum, dass sie Null werden. Wenn die Menge an CO2 in der Atmosphäre zu stark zunimmt (also die globale Erwärmung über max. 2°C ansteigt), riskieren wir gefährlichen Klimawandel. Heute sei die Atmosphäre aber noch eine „wilde“ CO2-Deponie.

„Wenn das alles wäre, was man über das Klimaproblem sagen müsste und könnte, dann wäre es einfach“, so Prof. Dr. Edenhofer weiter. Eine beachtliche Menge an CO2 lagere zudem noch in Form von Kohle, Gas und Öl im Boden. Gemessen an der begrenzten Aufnahmefähigkeit der Atmosphäre hätten wir im 21. Jahrhundert ein Überangebot an fossilen Energieträgern. “Es ist demnach eine menschheitsgeschichtliche Aufgabe einmaligen Ausmaßes, dass wir nicht zur Knappheit gezwungen werden, sondern dass wir durch internationale Vereinbarungen Knappheit erzeugen müssen – und zwar freiwillig.“ Mit anderen Worten: eine internationale Vereinbarung muss vor allem einen Preis für CO2 hervorbringen.

Noch sind die Stromentstehungskosten aber nicht unter denen von Kohle. In der Zwischenzeit, während die Kosten für erneuerbare Energien sinken, würden zwar mehr erneuerbare Energien nachgefragt, aber weil die Preise für die fossilen Energien ebenfalls sinken, würden auch weiter fossile Träger nachgefragt. Das sei zwar ein Übergangsphänomen – „aber wir wissen aus allen Berechnungen, dass dieses Übergangsphänomen so lange dauert, dass wir bis dahin zu viel CO2 in der Atmosphäre abgelagert haben.“ Ohne einen CO2-Preis passiert auf der Welt überall das Gleiche: Die erneuerbaren Energien und Innovationen diesbezüglich werden zwar ausgebaut, gleichzeitig aber wird Kohle in erheblichem Umfang weiter genutzt.

 

„Weltweit wird immer noch in Kohle investiert und zwar in einem Ausmaß, dass es keine Übertreibung ist zu sagen: Wir befinden uns in der größten Kohlerenaissance der Industriegeschichte.“

 

Viele Politiker*innen hätten allerdings den Ernst der Lage immer noch nicht begriffen.

Der Dreiklang des CO2-Preises

Ein CO2 Preis macht im Kern drei Dinge: Er macht die CO2-freien Technologien rentabel, er drängt die Nutzung der fossilen Energieträger zurück und er erzeugt Einnahmen, die beispielsweise in die Infrastruktur von Schwellenländern investiert werden können. Leider spiele der CO2-Preis in der Politik noch keine nennenswerte Rolle, so Edenhofer. Fossile Energieträger würden hingegen weiterhin in großem Maßstab subventioniert. Demzufolge kritisierte Prof. Dr. Edenhofer auch das Klimapaket der Bundesregierung. Der CO2-Preis sei dort zu niedrig angesetzt. Edenhofer ist allerdings optimistisch, dass es nicht bei dem Klimapaket bleibt.

Befürchtungen, dass ein zu hoher CO2-Preis die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen könne, widersprach Edenhofer. Es betreffe alle Länder gleichermaßen  – denn alle müssten bei dem Preis mitziehen. Durch beispielsweise Steuersenkungen könne man außerdem verhindern, dass ein CO2-Preis die einkommensschwachen Bevölkerungsschichten überproportional belastet.

 

„Die Aussage, wir wollen nicht in einer Gesellschaft leben, in der der CO2-Preis die Gesellschaft spaltet, ist falsch. Aus meiner Sicht benutzen viele heute die armen und einkommensschwachen Haushalte als ein Schutzschild, um am Status Quo verharren zu können.“

Prof. Dr. Edenhofer schloss seinen Vortrag mit den Worten:

 

„Am Ende des Tages, ist eine CO2-Bepreisung keine Belastung, sondern sichert den Wohlstand des 21. Jahrhunderts. Machen Sie also Druck und entlassen Sie die Politik nicht ihrer Verantwortung.“

 

Im Anschluss an Boris Wasmuths und Prof. Dr. Edenhofers Keynotes, begrüßte rbb-Moderatorin Sarah Zerdick die Panelist*innen auf der Bühne:

  • Laura Esnaola, Nachhaltigkeitsaktivistin und Adviser care.com,
  • Jochen Engert, Founder & CEO FlixMobility,
  • Paul Keuter, Mitglied der Geschäftsleitung Hertha BSC, verantwortlich für die Bereiche Kommunikation, Markenführung, Internationalisierung, CSR UND Digitale Transformation (Digitalisierung),
  • Christian Kroll, Gründer Ecosia – Die Suchmaschine, die Bäume pflanzt

Alle vier Unternehmer*innen haben sich bereits dazu entschieden, mit ihrem Unternehmen einen Wandel herbeizuführen. Sarah Zerdick fühlte sogleich auf den Zahn: Wie sieht es bei den Anwesenden mit Dienstflügen aus? Früher hätte Laura Esnaola „praktisch in einem Flugzeug gewohnt“. Heute achte sie streng darauf, nicht mehr als 4-5 Mal pro Jahr zu fliegen.

„Wir müssen alle aufpassen, aber uns auch nicht zu sehr schämen. Aktivismus ist eine sehr persönliche Sache und jeder braucht seinen/ihren Rhythmus, um auf die richtige Antwort zu kommen“, so Laura Esnaola. Als Unternehmen müsse man aber auch ein Beispiel zeigen und ein Vorbild sein. „Ich glaube, dass die Politik uns im Stich gelassen hat. Wir brauchen die Politik, um das Problem in den Griff zu kriegen, aber wenn die Politiker*innen nichts machen, muss der private Sektor noch mehr Initiative zeigen.“ Ein/e Aktivist*in könne allerdings jede/r sein.

Wie sehr achtet zum Beispiel Hertha BSC auf ein nachhaltiges Verhalten seiner Mitarbeiter*innen? „Wir fangen jetzt erst einmal an – und jeder fängt da an, wo er kann. Ich glaube, dass sich das auch unter den Mitarbeiter*innen untereinander selbst regelt. Man darf nicht vergessen: Wir haben auch schon sehr viele junge Mitarbeiter*innen in den einzelnen Departements, die schon sehr nachhaltig denken und eher uns Druck machen“, so Paul Keuter. Die große Achillesferse von Hertha BSC sei derzeit die Travel Policy, da momentan noch viele Flüge getätigt würden – da müsse man umdenken.

Es gebe viele Herausforderungen, die damit zusammenhängen, wenn Unternehmen in die Initiative Leaders for Climate Action eintreten – auch für Flixbus. „Ihr pustet ja in eurem täglichen Geschäft ganz viel CO2 in die Luft – wie passt das zusammen?“, fragte Sarah Zerdick.

„Wenn man bis zu 50 Menschen in einen Bus setzt, hinterlässt man einen deutlichen besseren Fußabdruck, als wenn nur ein bis zwei Menschen für die gleiche Strecke in einem Auto sitzen“, sagte Jochen Engert. „Nach Umweltbundesamt ist unser Fußabdruck sogar besser als der von der Bahn. Wir produzieren pro Personenkilometer 23g, die Bahn 32g CO2. Wir arbeiten sehr darauf hin, dass wir als Unternehmen noch klimafreundlicher sind. Wir wollen bis 2030 möglichst klimaneutral werden.“ Leider sei es derzeit noch so, dass man mit dem Bus als Fahrzeug, was Innovationen angeht, am Ende der Nahrungskette stehe. „Wir müssen sehr stark anschieben, dass in der Industrie etwas passiert. Am Ende sind es viele kleine Schritte, die man gehen muss, um wirklich einen Unterschied zu machen.“

Ecosia habe sich bis zum Jahr 2020 das Ziel gesetzt, eine Milliarde Bäume zu pflanzen. „Wie weit seid ihr damit?“, fragte Sarah Zerdick.

„Bei ca. 72 Millionen. Das geht gerade sehr schnell. Worüber viel zu wenig gesprochen wird, ist, dass wir durch das Bäumepflanzen massiv CO2 aus der Atmosphäre ziehen können. Wenn wir 100 oder 1000 Milliarden Bäume pflanzen würden, könnten wir hunderte Gigatonnen CO2 aus der Luft ziehen“, sagte Christian Kroll. Weiterhin ist er der Meinung, es müsse einen „Postkapitalismus“ geben. „In Zeiten des Klimawandels müssen wir von einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft sprechen. Momentan haben wir aber leider ein System, dass viele soziale und ökologische Faktoren ignoriert.“ Gandhis Aussage „Be the change that you want to see in the world“ zum Vorbild genommen, hat Christian Kroll in diesem Sinne auch sein Unternehmen in ein Non-Profit-Unternehmen umgewandelt.

Wir bedanken uns bei unseren Speakern Boris Wasmuth und Prof. Dr. Ottmar Edenhofer für die lehrreichen und motivierenden Vorträge. Ein großer Dank geht auch an unsere Panelist*innen für ihre Diskussionsfreudigkeit und die spannenden Einblicke sowie an unsere Moderatorin Sarah Zerdick, die hervorragend durch das Gespräch geführt hat.

Weiterhin danken wir allen Gästen für ihr Kommen sowie unseren Förderern und Sponsoren für die Ermöglichung dieses Mediengipfels.

 

Eine Veranstaltung von

Gefördert von

Partner

Sponsoren

Medienpartner