1. „Berlin ist die Hauptstadt von New York“, beschrieb kürzlich der Kreativchef der Werbeagentur Heimat die Stadt an der Spree. So wie im „melting pot“ am Hudson River, leben und arbeiten auch in Berlin Menschen aus rund 190 Ländern. Diese zunehmende Internationalisierung bürgt enorme Herausforderungen – Stichwort Flüchtlinge – aber auch großartige Chancen, beispielsweise durch die zahlreichen Start-Up Gründungen von kreativen Entrepreneuren aus England, Spanien, Israel, den USA, Kanada, dem asiatischen Raum. Was verbinden Sie mit Ihrer internationalen Metropole Berlin, Herr Müller?
    • Wenn man in Berlin unterwegs ist, dann kann man die Internationalität mit Händen greifen. Die Welt ist bei uns zu Hause. Ich empfinde das als großartige Bereicherung. Und es stimmt: je weiter man sich entfernt, umso begeisterter sind die Leute von Berlin. Das ist meine Erfahrung in Tel Aviv genauso wie in Buenos Aires. Daraus erwachsen für uns Chancen in der internationalen Metropolenpolitik zum Beispiel auf UN-Ebene. Wichtig sind mir dabei aber besonders die wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Interessen der Berlinerinnen und Berliner. Wir profitieren in vielerlei Hinsicht von unserer internationalen Ausrichtung. Berlin ist durch seine Offenheit und Toleranz hochattraktiv geworden für Menschen und damit für Unternehmen, Investoren und besonders für Start-Ups aus aller Welt. Das wirkt sich aus in steigenden Erwerbstätigenzahlen, mit denen wir deutschlandweit Spitze sind, und in nachhaltigem Sinken der Arbeitslosenzahlen. Dass Berlin heute Wachstumslokomotive ist und dass wir gut aufgestellt sind, die Aufgaben zu stemmen, die uns aus der Aufnahme der Flüchtlinge erwachsen, verdanken wir zum Gutteil auch und gerade unserer Internationalität.
  2. Start-Ups sind schnell, umtriebig, haben kurze Entscheidungszyklen, schlanke Hierarchien, sie sorgen für Anschub, haben Strahlkraft, verändern, formen unsere (digitale) Welt, ziehen finanzstarke Investoren in die Hauptstadtregion. Im Gegensatz dazu sind die Berliner Verwaltung und der BER, nun ja, gelegentlich etwas langsamer. Gibt es etwas was Sie, die Senatskanzlei, die Verwaltung vom smarten Ökosystem Gründerszene im kommenden Jahr übernehmen möchten?
    • Die Herausforderung der Flüchtlingssituation hat trotz der auftretenden Probleme insgesamt gezeigt, dass Verwaltung flexibler und effizienter funktioniert, als mancher glaubt. BER werden wir so schnell es geht ans Netz bringen, und dann wird sich der neue Flughafen rasch als das erweisen, was er sein soll, nämlich als Wachstumsmotor für die gesamte Region. Abgesehen davon: Mit der im April 2015 im Senat beschlossenen Smart-City-Strategie Berlin sind wir voll im Trend der Entwicklung, für die in Berlin auch die Start-up-Szene steht. Wir haben viele Projekte, die zeigen, wie durch neue intelligente Informations- und Kommunikationstechnologien Produktionsprozesse, Dienstleistungen sowie Technologien und Infrastrukturen integriert und vernetzt werden, wie Partner sich gegenseitig unterstützen können und wie damit Ideen oft überhaupt erst realisierbar werden. Der Senat arbeitet an unserer Digitalisierungsstrategie, und hier werden auch Politik und Verwaltung selbst nicht außen vor bleiben. Gemeinsam mit dem Berliner Kreis zur Digitalisierung, in dem Vertreterinnen und Vertreter des Senats, vor allem auch die Technische Universität, aber auch alle anderen wichtigen Akteure aus Wissenschaft und Wirtschaft vertreten sind, wollen wir Berlin zur führenden IT-Hauptstadt Europas entwickeln.
  3. Was hat sich im ersten Jahr ihrer Amtszeit verändert, was haben Sie bewirkt, angestoßen, worauf sind Sie besonders stolz? Auf welche Herausforderungen in 2016 schauen Sie mit einer gewissen Sorge?
    • Mein Anspruch war und ist, Berlin gut zu regieren, Dinge anzupacken und auf den richtigen Weg zu bringen. Berlin wächst, wir liegen vorn bei der Erwerbstätigkeit, die Steuereinnahmen wachsen. Die Stadt gewinnt damit neue Spielräume zur Gestaltung bei gleichzeitigem Abbau der Verschuldung. Wir zeigen, dass wir die richtige Balance zwischen Konsolidierung und Investitionen gefunden haben. Das ist wichtig, um Zukunftsfähigkeit auszubauen und Sicherheit im Wandel zu gewinnen. Wir wollen, dass Berlin auch im Wandel die lebenswerte und solidarische Stadt bleibt, die so vielen eine Heimat gibt. Diesen positiven Entwicklungen verdanken wir auch, dass wir der Herausforderung beim Thema Flüchtlinge alles in allem gewachsen sind. Das ist die Problematik, die mich auch für 2016 umtreibt. Aber ich weiß, dass unsere Metropole schon so vieles bewältigt hat. Die Berlinerinnen und Berliner sind leistungsfähig und leistungsbereit. Ich spüre, dass viele mitmachen wollen, unser Berlin auch weiterhin als solidarische Stadt zu gestalten. Es gibt doch auch 2016 wieder die erfreulichen Anlässe des Berliner Lebens: Wir alle freuen uns auf die Berlinale. Sie ist immer ein Stück Licht im dunklen Winter und ein kulturelles Highlight.

 

Datum: 27.11.2015