- Herr Jürgens, seit Anfang des Jahres sind Sie Geschäftsführer Standortentwicklung des Medienboard. Eine hochkarätige Veranstaltung folgt auf die nächste: Am vergangenen Dienstag der 38. mediengipfel mit mehr als 300 ausgewählten Gästen der Berlin-Brandenburger Kreativszene, vor zehn Tagen die Media Convention. 8.000 Besucher aus mehr als 60 Ländern haben sich informiert, vernetzt, gefeiert – darunter Gründer, Global Player, Fernsehkritiker, Game Geeks, Netz-Aktivisten, Intendanten, Blogger, Redakteure, Medienpolitiker, Entwickler. Tolles Happening! Welche (nachhaltigen) Impulse haben Sie von der MCB16 für den Standort mitgenommen?
- Auf der MCB16, die wir zusammen mit der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) und in Kooperation mit der re:publica veranstalten, haben wir mit mehr als 180 Speakern aus Medien, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik in rund 40 Sessions viele aktuelle Fragen diskutiert, die die Branche umtreiben – digitale Markttrends, Netzneutralität, Journalismus, Hate Speech, Zentralisierung, Gaming, Videomarkt, Serienhype, YouTube, Webvideo, Virtual Reality, Storytelling, Medienvielfalt, die „Vierte Revolution“ und vieles mehr. Konkret ging es zum Beispiel um den Wettbewerb der international führenden Nachrichtensender, um Spielekonzerne, die sich als Film- und TV-Produzenten etablieren oder um das Thema Netzneutralität und damit die Frage, wer bestimmt, wie wir das Internet nutzen. Ein absolutes Highlight war der Talk von Luciano Floridi, dem „Digital-Philosoph der Stunde“ (FAZ) mit Edward Snowden, den wir live zugeschaltet hatten. Die Kombination beider Events – die re:publica als größtes Treffen der digitalen Gesellschaft auf der einen Seite und die MCB mit ihrem Fokus auf audiovisuelle Medieninhalte auf der anderen – ist mit ihrer Vielfalt einzigartig in der europäischen Konferenzlandschaft und stärkt die Anziehungskraft des Medienstandorts Berlin-Brandenburg nachhaltig. Die Sessions der MCB wurden live gestreamt und können auf Media Convention angeschaut werden. Es lohnt sich!
- Eines der Schwerpunktthemen im Ausstellungsbereich der MCB war Virtual Reality, über dessen Potential wir mit diversen Vertretern der Medien-, Gaming- und Filmindustrie diskutiert haben. Dass wir für diese Veranstaltungen so hochkarätige Speaker und innovative Unternehmen aus Berlin-Brandenburg gewinnen konnten, unterstreicht die Bedeutung der Hauptstadtregion im Bereich der neuesten Trends und Technologien. Was sich im Bereich VR am Standort alles auftut, verfolgen wir mit großem Interesse: Etwa den kürzlich in Potsdam-Babelsberg gegründeten, ersten Virtual Reality-Verein für Berlin und Brandenburg, der die vorhandenen VR- und AR-Kompetenzen bündeln, und den Standort in diesem Bereich international wettbewerbsfähig machen möchte. Oder die Vorbereitungen für einen VR-Tag in Potsdam-Babelsberg, der im Rahmen der Fachkonferenz „Changing the Picture“ Mitte November hier in der Medienstadt veranstaltet wird.
- Ein weiteres Thema, welches sowohl bei der MCB als auch beim aktuellen mediengipfel heiß diskutiert wurde, sind die vielfältigen nationalen und internationalen Serienproduktionen. Neue Inhalte, Plattformen und Distributionswege bestimmen den Diskurs. Ein ganz aktuelles Projekt wurde im Rahmen eines „Meet the Team“ auf der MCB vorgestellt. Es ging um das gemeinsame Serienprojekt „You are Wanted“ von Matthias Schweighöfer, Warner Bros. und Amazon vorgestellt wurde. „You Are Wanted“ ist die erste deutsche Amazon Originals-Produktion und erste deutsche Serie eines Video-Streaming-Dienstes überhaupt. Dass diese in Berlin gedreht und produziert wird, freut uns sehr! Besonders interessant war es deshalb auch für mich, am vergangenen Dienstag den 38. mediengipfel mit Ralf Kleber, Deutschlandchef von Amazon, zu verfolgen. Hier gab es interessante Einblicke in die zahlreichen Geschäftsfelder von Amazon, und damit auch in die Bewegtbildstrategie des Unternehmens. Mit drei Standorten in Berlin und Brandenburg ist Amazon ein wichtiger Impulsgeber für die Region!
- Die Medienunternehmen am Standort sind mehrheitlich zufrieden bis sehr zufrieden mit ihrem Geschäftsverlauf. Besonders den Games-, Mobile- und IT/TK-Branchen geht es sehr gut, sie wachsen rasant, schaffen neue Jobs. Laut dem von Medienboard und media.net gemeinsam veröffentlichten Medienbarometer suchen 94% der Web/Mobile Unternehmen neue Mitarbeiter. Welche Trends zeichnen sich noch ab? Was bedeuten sie für den Standort?
- Der wichtigste Stimmungsmesser für Medienunternehmen der Hauptstadtregion, das medien.barometer berlinbrandenburg, hat uns wieder eine positive Entwicklung bestätigt, ein tolles Ergebnis! Bei kommenden Trends wären wir noch einmal beim Thema Virtual Reality, da sehen wir großes Potential für den Standort. Bereits jetzt gab knapp die Hälfte der Befragten aus der Gamesbranche an, dass VR einen positiven Einfluss auf ihr Unternehmen habe. Im Film- und Fernsehbereich war es noch ein Viertel, aber da sind wir gespannt auf die weitere Entwicklung. Den Trend Serielle High-End-Produktionen bewertet die Hälfte der Filmunternehmen positiv. Bei den digitalen Distributionswegen sehen zwar etliche Unternehmen der „klassischen Medien“ wie Film und Fernsehen noch negative Auswirkungen, 19% bei Film und 29% bei Fernsehen, gleichzeitig stehen aber bereits 54% der Filmunternehmen und 37% der Fernsehunternehmen der Entwicklung positiv gegenüber. Für den Standort bedeutet das, dass sich die Medienunternehmen der Hauptstadtregion bereits recht gut auf die Umbrüche in der Medienwirtschaft eingestellt haben.
- Berlin-Brandenburg ist ein attraktiver Standort für Unternehmen mit internationaler Strahlkraft: Nicht umsonst bewerten 76% der Befragten das internationale Image der Region als einen positiven Faktor für das eigene Unternehmen. Die Branchennetzwerke, so zeigt die Befragung, wirken sich für die meisten, nämlich für 65% positiv aus. Auch Faktoren wie Rekrutierungsmöglichkeiten und das Innovations- und Investitionsklima bewertet etwa die Hälfte aller Befragten als positiv. Die Zahlen des medien.barometers zeigen: Die Investitionen in den Medienstandort haben Erfolg, Berlin-Brandenburg ist längst nicht mehr „nur“ die digitale Hauptstadt Deutschlands, sondern international einer der relevantesten Medienstandorte über alle Teilbranchen hinweg.
- Die Medienboard Berlin-Brandenburg GmbH ist 12 Jahre jung. Jetzt steuern Sie das Ruder der Standortentwicklung. Welche Schwerpunkte haben Sie sich vorgenommen? Was treibt Sie besonders an?
- Eine wichtige Aufgabe wird es sein, die „Old Economy“ der klassischen Film- und Medienunternehmen bei der Entwicklung neuer, digitaler Geschäftsmodelle zu unterstützen. Auf der anderen Seite möchten wir den Nachwuchs im Bewegtbildbereich weiter fördern, denn hier sehen wir großes Potential am Standort. Bereits zum zweiten Mal hat das Medienboard zum Beispiel den Your Turn-Wettbewerb gefördert, bei dem wir fünf innovativen Videomachern aus Berlin und Brandenburg ein Startkapital von insgesamt 70.000 Euro für ihre YouTube-Kanäle zur Verfügung gestellt haben. Und im Rahmen der MEDIA CONVENTION Berlin haben wir ganz aktuell einen neues Förderprogramm, „WIGO“, ausgelobt, um die Produktion innovativer Video-Inhalte für eine junge Zielgruppe zu fördern: zusammen mit dem rbb suchen wir Online-Videoformate, von denen es mindestens einmal pro Woche eine neue Folge im Netz gibt. Ob Entertainment, Talk, Information, Webserie oder Doku – alle Formate, Themen und Plattformen sind erlaubt. Insgesamt stehen bis Ende des Jahres bis zu 150.000 Euro zur Verfügung und bei erfolgreicher Umsetzung kann das Format in das „Junge Angebot“ von ARD und ZDF aufgenommen werden, das im Oktober starten soll.
- Als eine der ersten Fördereinrichtungen in Deutschland unterstützen wir außerdem seit 2015 mit der Förderung serieller Formate die Entwicklung und Produktion von innovativen Serien für alle Plattformen. Ein schönes Ergebnis davon ist beispielsweise die Serie „Tankstellen des Glücks“ mit Friedrich Liechtenstein, die am Pfingstmontag (16.5.) auf arte ausgestrahlt wird und auch im Netz zu sehen ist. Und natürlich setzen wir weiterhin auf unsere Förderung für „Innovative Audiovisuelle Inhalte“, mit der wir seit 10 Jahren mit einem jährlichen Budget von einer Million Euro die Entwicklung und Produktion von Apps, Games, Transmedia und auch von Virtual Reality-Projekten unterstützen. Schön ist es, zu sehen, dass unsere IAI-Förderung zunehmend Früchte trägt: kürzlich haben im Rahmen des Matchmaking Dinners auf der INTERNATIONAL GAMES WEEK BERLIN die Teams von Maschinen-Mensch und Wolkenlenker ihre Förderung an uns zurückgezahlt und wir konnten dort auch den Gewinner des Deutschen Computerspielpreises, Jan von Meppen von LudInc, beglückwünschen, der im April für sein interaktives Lernspiel „Professor S.“ in der Kategorie „Bestes Serious Game“ den wichtigsten deutschen Preis der Spielebranche erhalten hat.
Datum: 13.05.2016