- Debatten um das Urheberrecht in Zeiten der Digitalisierung sind so alt wie das Internet selbst. Ob Musik, Film und TV oder nun die Verlagsbranche – die bestehenden Strukturen und Verwertungsgesellschaften tun sich schwer, sich den neuen Anforderungen anzupassen. Wie sehen Ihre Vorschläge zum Schutz des geistigen Eigentums und gleichzeitig einer fairen Verteilung der Erträge aus, auch mit Blick auf die Gesamtnovellierung des europäischen Urheberrechts?
- Wir haben im Urheberrecht in dieser Legislaturperiode bereits vieles auf den Weg gebracht. Der Bundestag befasst sich aktuell mit dem ersten Teil unserer Reform, dem neuen Recht der urheberrechtlichen Verwertungsgesellschaften. Wir haben au-ßerdem einen Gesetzentwurf zur Novellierung des Urhebervertragsrechts vorgelegt. Uns geht es darum, die Kreativen zu stärken. Der Gesetzentwurf soll dazu beitragen, dass die Kreativwirtschaft auch im digitalen Zeitalter angemessen entlohnt wird. Wir wollen es den Urhebern erleichtern, ihren Anspruch auf eine angemessen Vergütung auch durchzusetzen. In Kürze werden wir noch einen dritten Gesetzentwurf vorlegen, nämlich unseren Vorschlag zur Bildungs- und Wissenschaftsschranke. Klar ist aber auch: Ein nicht unwesentlicher Teil der Urheberrechtspolitik wird heute in Brüssel gemacht. Das Europäische Urheberrecht muss endlich an die Erfordernisse des digita-len Zeitalters angepasst werden. Wir werden die Reformen auf europäischer Ebene daher aktiv unterstützen. Ich begrüße, dass die Kommission als ersten Schritt gerade für Verbraucherinnen und Verbraucher den grenzüberschreitenden Zugriff auf kreative Inhalte stärken möchte.
- Soziale Netzwerke werden zunehmend zum zweischneidigen Messer: Einerseits helfen sie bei der Vernetzung, auch der Aufklärung und Koordinierung untereinander. Andererseits gibt es eine Schwemme von fremdenfeindlichen und faschistischen Kommentaren, Seiten und Gruppen. Welchen Zugriff hat ein staatliches Rechtswesen auf das globale Internet? Welchem Gesetz unterliegen Giganten wie Facebook, für die keine Ländergrenzen gelten?
- Im Internet werden immer mehr fremdenfeindliche und rassistische Hassbotschaften verbreitet. Flüchtlinge sollen „ins Gas“ geschickt werden; es wird zu Gewalttaten auf-gerufen. Der Hass muss ein Ansporn für alle Demokraten sein, gemeinsam noch ent-schiedener für unsere offene und tolerante Gesellschaft einzutreten. Wir dürfen den geistigen Brandstiftern nicht das Feld überlassen – weder auf der Straße noch im Netz. Da sind wir alle gemeinsam gefordert: staatliche Institutionen, die Zivilgesell-schaft, aber auch die Anbieter von Sozialen Netzwerken. Wir haben zusammen mit Facebook, Google und Twitter sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen eine Task Force zum Umgang mit Hassbotschaften im Internet eingesetzt. Mit den Unterneh-men haben wir uns in kurzer Zeit auf konkrete Maßnahmen verständigt, um die Ver-breitung von Hass und Hetze im Netz wirksam zu bekämpfen. Beschwerden werden umgehend durch spezialisierte Teams geprüft. Dabei gilt: Maßstab für die Prüfung ist in Zukunft auch das deutsche Recht, nicht mehr nur die eigenen Standards des jewei-ligen Netzwerks. Rechtswidrige Inhalte werden unverzüglich, d.h. regelmäßig inner-halb von 24 Stunden entfernt. Und für die Nutzer werden einfache, leicht erkennbare Mechanismen und Verfahren bereitgehalten, um bedenkliche Inhalte zu melden. Un-ser Ziel ist klar: Hassbotschaften müssen schneller und umfassender aus dem Netz verschwinden.
- Kürzlich formulierten Sie 13 digitale Grundrechte und gaben der Debatte um die Forderung nach einer Internet-Charta deutliche Impulse: „Wie wollen wir zukünftig digital, vernetzt, selbstbestimmt hinsichtlich der eigenen Daten leben? Hat jeder Mensch das Recht auf einen Internetzugang, Datensicherheit? Gibt es Grenzen für die freie Meinungsäußerung?“ Herr Maas, lassen sich Ihre 13 digitalen Grundrechte tatsächlich in einer globalen Staatengemeinschaft umsetzen?
- Das wird sicher nicht von heute auf morgen gelingen. Aber die Debatte darüber müs-sen wir jetzt führen. Die Digitalisierung ist zu einem Totalphänomen geworden. Kein Lebensbereich, der nicht von ihr erfasst wird. Das Internet ist einst mit hehren Zielen gestartet: freie Informationen für alle, dezentral, ohne Kommerz und Hierarchien. Inzwischen steht die Digitalisierung für die Herrschaft der Kennzahlen, die Ökonomi-sierung aller Lebensbereiche. Viel zu lange wurde auf eine demokratische Regulierung verzichtet. Eine Technikgestaltung durch Recht fand kaum statt. Wir müssen jetzt handeln. Denn: Eine Politik, die Relevanz haben will, kann auf die Gestaltung der Digitalisierung – national und transnational – nicht länger verzichten. Die Staaten müssen sich wieder auf ihre Handlungsmöglichkeiten besinnen und ihre demokrati-sche Macht nutzen. Wir müssen Big Data demokratische Regeln setzen und dürfen dies nicht länger dem Big Business überlassen.
Datum: 14.01.2016