- Frau Dr. Kramm, im März haben Sie das Amt der Präsidentin der IHK Berlin angetreten. Erstmals agiert eine Frau an der Spitze der IHK Berlin mit ihren rund 284.000 Unternehmen. Welche Themen sind Ihnen in den ersten 100 Tagen in Ihrem Amt besonders wichtig gewesen?
- Für mich sind die wachsende Stadt Berlin sowie die Stärkung der Dualen Ausbildung und die damit verbundenen Herausforderungen zwei zentrale Themen, die ich als IHK-Präsidentin in meinen vielen Gesprächen und Terminen in den vergangenen Monaten bewusst angesprochen habe. Veränderungen wie Digitalisierung, Demografie, Nachhaltigkeit und neue Partizipationsmöglichkeiten fordern uns zur Gestaltung auf. Mein Ziel ist es, Berlin zu einer international sichtbaren und wettbewerbsfähigen Metropole zu entwickeln.
- Die duale Berufsausbildung ist nicht nur der Lebensnerv der IHK, sondern in Zeiten des zunehmenden Fachkräftemangels wichtiger denn je. Derzeit sind etwa 1.500 Ausbildungsplätze in Berlin unbesetzt. Das macht deutlich, dass die Popularität der dualen Ausbildung gestärkt werden muss, damit sich künftig wieder mehr Jugendliche für den Weg in eine Ausbildung entscheiden. Auch Eltern sollen überzeugt werden, die Berufsausbildung wertzuschätzen.
- Und mir ist der Kontakt zu unseren Mitgliedsunternehmen besonders wichtig, den ich noch weiter intensivieren möchte. Berlin ist eine Stadt des Mittelstands – vor allem bei den kleinen und mittelständischen Unternehmen können wir größere Reichweiten erzielen. Dazu wünsche ich mir ein noch besseres Zusammenspiel von digitaler und direkter Kommunikation.
- Gemeinsam mit der Handwerkskammer Berlin haben Sie unter dem Titel „ Wachstum meistern“ Prüfsteine der Berliner Wirtschaft zur Abgeordnetenhauswahl 2016 formuliert. Welche Forderungen haben Sie an die Berliner Politik?
- Durch Digitalisierung und die wachsende Stadt ergeben sich sowohl Herausforderungen als auch Chancen. Berlin hat dabei beste Voraussetzungen, Impulsgeber und Schaufenster für die smarte Stadt von morgen zu werden. Dafür muss die Politik aber jetzt die entscheidenden Rahmenbedingungen setzen – mit einer Gesamtstrategie und einer zukunftsfähigen digitalen Infrastruktur, so dass aus den vielen Ideen auch innovative Lösungen werden. Wichtige Ansatzpunkte sind vor allem die Verwaltung und das Bildungswesen. Wir brauchen ausreichende digitale Ressourcen in Senatsverwaltungen und Bezirksämtern und eine flächendeckende Nutzung der E-Akte, ebenso zügige Abläufe und Verfahren für Bürger und Unternehmen. Auch das Thema Bildung muss im Wahlkampf und in der anschließenden Legislaturperiode eine deutlich zentralere Rolle spielen, damit sich künftig wieder mehr Jugendliche für den Weg in eine Ausbildung entscheiden. So könnte die Landesregierung beispielsweise einen ‚Staatssekretär für berufliche Bildung‘ einführen. Hinzu kommen eine bessere Vermittlung von wirtschaftlichen Zusammenhängen bereits in der Schule und mehr Informationen über Einstiegsmöglichkeiten in die Arbeitswelt. Ziel muss es sein, dass die Unternehmen alle Ausbildungsplätze besetzen können.
- Die Medien – und Kreativwirtschaft der Hauptstadtregion boomt. Berlin ist attraktiver Standort für Fachkräfte, Start-ups und etablierte Unternehmen aus aller Welt. Was muss aus Ihrer Sicht getan werden, um die stellenschaffende Medien- und Kreativwirtschaft weiterhin zu unterstützen?
- Klar ist doch, dass wir die bestehenden, guten Voraussetzungen in Berlin weiter ausbauen müssen. Damit meine ich insbesondere, dass wir die Zusammenarbeit zwischen Forschung, Wissenschaft und creative industries intensivieren müssen. Bestenfalls schaffen wir bereits bei der Entwicklung neuer Formate und Anwendungen interdisziplinäre Teams. So können wir Theorie und Praxis optimal miteinander verbinden.
- Weiterhin müssen wir mehr über den nationalen Tellerrand schauen und internationale Wertschöpfungsketten ausbauen: Unser kreatives und geistiges Potenzial generiert eine Wirtschaftskraft, die weit über unsere Landesgrenzen hinaus strahlt. Politik, Verwaltung und Wirtschaft sind deshalb aufgefordert, gemeinsam verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen, um auch im internationalen Wettbewerb um die besten Fachkräfte bestehen zu können.
- Kurzum: Zur Stärkung der Medien- und Kreativwirtschaft müssen wir Anreize bei der Integration ausländischer Fachkräfte schaffen, Perspektiven für den Nachwuchs entwickeln und vor allem bezahlbare Lebenshaltungskosten sichern. Nur so können wir auch zukünftig gerade jungen Menschen ein ideales (Entwicklungs-) Umfeld bieten.
Datum: 12.08.2016