Sie will mit ihren Serien süchtig machen; liebt schräge, humorvolle, widersprüchliche Figuren und komplexes Storytelling. Kerstin Polte ist Regisseurin, Drehbuchautorin, Produzentin und Gründerin des Serienwerkes. Ihre Film-Ausbildung absolvierte sie in Kanada, Karlsruhe und Zürich. Als Autorin, Regisseurin und Produzentin hat sie in verschiedenen Ländern gearbeitet, ihre Filme wurden auf internationalen Festivals mehrfach ausgezeichnet. Zuletzt kam ihr preisgekrönter Dokumentarfilm “Kein Zickenfox” in die Kinos. Gerade schneidet sie ihren Kinospielfilm “Monster (AT)”, den sie diesen Sommer mit u.a. Corinna Harfouch, Meret Becker, Sabine Timoteo gedreht hat.
2015 gründete Kerstin das Serienwerk; eine Entwicklungs- und Produktionsschmiede für ungewöhnliche und innovative Serienformate made in Berlin. Die Bundesregierung zeichnete das Serienwerk gerade mit dem Titel “Kultur- und Kreativpiloten Deutschlands 2016” aus. Neben ihrer Geschäftsführertätigkeit hat sie die kreative Leitung des Startups übernommen.
- Was war Ihr Beweggrund für die Mitgliedschaft bei media.net?
- Das Kreativkonzept des Serienwerkes basiert auf Vernetzung; wir arbeiten mit StorytellerInnen aus verschiedensten Disziplinen (von klassischen AutorInnen bis hin zu Game- und SFX-DesignernInnen) zusammen und stellen aus dieser “Creative Cloud” Writers Rooms und Think Tanks für verschiedenste Erzählbedürfnisse zusammen. Dafür brauchen wir starke Partner in der Berliner Medienbranche; sowohl im Firmen- als auch im Talentbereich. Für uns war es deswegen gar keine Frage, dass wir dem größten und besten Netzwerk für Medienschaffende in Berlin und Brandenburg beitreten.
- Was hat Sie bewogen, Serienwerk zu gründen?
- Ich liebe die starken und komplexen seriellen Erzählentwürfe, die seit einigen Jahren aus den USA zu uns schwappen und habe lange darauf gewartet, dass Deutschland endlich nachzieht – doch es passierte nichts. Ich glaube, dass diese Formatlücke nicht an mangelnden Ideen oder Talenten liegt, sondern etwas mit unseren Produktions- und Finanzierungsstrukturen zu tun hat, die wenig Spielraum für die komplexen Entwicklungs- und Schreibmodelle von seriellen Formaten lassen (z.B. das Writers Room Modell). Mit dem Serienwerk wollte ich einen Ort schaffen, an dem meine Kolleginnen und Kollegen ihre Serienideen in einem geschützten Raum entwickeln können, ohne sofort für einen Sendeplatz “abliefern” zu müssen. Zudem wollten wir das Arbeiten in Kreativensembles – die sich gegenseitig inspirieren und eine hohe erzählerische Qualität auch bei komplexen Narrationen gewährleisten – nach US-Vorbild in Deutschland einführen und erweitern: In unseren Entwicklungsteams sitzen auch Game-Designer, SchauspielerInnen, Production Designer, SFX Spezialisten etc. …
- Was dürfen wir in den kommenden Jahren von Serienwerk erwarten?
- Aussergewöhnliche Serien natürlich! Auf nationaler und internationaler Ebene – und eine stärkere Präsenz von Serienkonzepten als Marketing-Format. Wir sind im Moment sehr aktiv im wachsenden Branded-Entertainment-Markt unterwegs. Gleichzeitig versuchen wir neue Wege in der Finanzierung dieses wichtigen ersten Entwicklungsstadiums zu gehen (zum Vergleich: In Deutschland stecken nur 2 -3 % des Gesamtbudgets eines Filmes in der Stoffentwicklung, in den USA oder anderen europäischen Ländern 9-12%).
- Welche Serie sehen Sie selbst am liebsten?
- Ich liebe Modern Family, Girls, Veep, Orange is the new black im Comedy und Dramedy Bereich – Bloodline, Broadchurch, Happy Valley waren meine letzten Binge Watchings. Und natürlich die Pioniere der modernen Drama-Serie: Twin Peaks, the Wire, Lost
- Was macht die Berliner Medienbranche aus?
- Sie ist unglaublich agil, jung und frisch. Die Menschen und Unternehmen haben Spaß daran, schräg zu denken, neue inhaltliche Wege der Zusammenarbeit und ungewöhnliche Kooperationen auszuprobieren. Gerade spürt man die Aufbruchsstimmung enorm – das macht Spass und Mut, eigenen Pioniergeist zu entwickeln.
- Wo geht es hin? Was sollte sich ändern?
- Gerade im seriellen Bereich muss das zaghaft begonnene Umdenken in punkto Entwicklungsstrukturen und alternativer Finanzierung hier weiter gehen. In den USA wurden letztes Jahr 450 neue Serien produziert und der Content-Bedarf (gerade im mobile Bereich) wächst weltweit ins Unermessliche. Ich hoffe, dass es in Zukunft auch in Deutschland möglich ist, komplexe serielle Erzählentwürfe (auch ausserhalb unseres Exportschlagers, dem Nazi- und Stasifilm) ab dem Entwicklungsstadium so zu Finanzieren, dass die Qualität im internationalen Wettbewerb mithalten kann und nicht nur Einzelstücke ihren Weg in die Welt finden.
- Ihr Lieblingsort in Berlin?
- Der St. Matthäus Friedhof in Kreuzberg – sehr inspirierend und voller Geschichten.
- Und zu guter Letzt: Was wollten Sie uns schon immer mal sagen?
- Danke für Herz, Wein und Netz.
Zeitstrahl 2015: