Florian Gellinger ist einer der vier Gründer von RISE. Seine Arbeit an Matthias Glasners “This is Love” und die dafür verwendeten Techniken haben RISE schnell über die Landesgrenzen hinaus bekannt gemacht. Seitdem hat er die Visual Effects Arbeit von RISE an Guy Ritchies “Codename: U.N.C.L.E.”, Tom Tykwers “Cloud Atlas”, Marvel Studios “Guardians of the Galaxy”, “Avengers – Age of Ultron” und zuletzt “Captain America – Civil War” betreut. Zurzeit arbeitet er mit Regisseur Gore Verbinski an “A Cure for Wellness”.
- Warum sind Sie media:net-Mitglied geworden?
- Nachdem wir uns selbständig gemacht hatten suchten wir nach Anschluss. Wir wollten andere Entrepreneurs kennenlernen, die mit den gleichen Problemen zu kämpfen hatten wie wir. Beim media:net haben wir nicht nur andere Gründer gefunden – sondern Freunde aus der gleichen Branche.
- RISE – der Name ist Programm: 2007 haben Sie sich gegründet und heute ist RISE der größte Anbieter für Visual Effects in Berlin mit Filialen in Köln, Stuttgart und Wien und beschäftigt über 100 Mitarbeiter. Was ist Ihr Erfolgsrezept?
- Wir ruhen uns nie auf unseren Lorbeeren aus und investieren stark in Forschung und Softwareentwicklung. Visual Effects sind noch immer die „Raketenwissenschaft“ unter den Computeranwendungen – die Technik entwickelt sich rasend schnell weiter. In Bereichen, wo man vor 10 Jahren noch schummeln musste um realistisch Licht- und Schattenwurf zu erzeugen, wird heute Licht auf Basis von Wellenlängen simuliert. Rauch, Feuer und Wasser werden mittlerweile mit Hilfe von aufwendiger Strömungsmathematik berechnet. Für digitale Characters helfen Muskelsysteme, um die Deformation der darüber liegenden Haut korrekt nachzuahmen. Die Thematik und die damit verbundene Technologie ist genauso weitläufig wie die Anwendungszenarien: Nur die Fantasie für die zu animierenden Bilder setzt die Grenzen. Zurzeit arbeiten wir an den ersten Virtual Reality Anwendungen.
- Ihre Referenzen reichen von deutschen Produktionen wie „Adlon – eine Familiensaga“ über Harry Potter bis zu Iron Man. Was fehlt Ihnen noch im Portfolio?
- Wir sind sehr glücklich, wo wir sind und mit dem was wir machen. Zuletzt durften wir das digitale Alter-Ego von „Falcon“, einer der Hauptfiguren in Marvel Studios „The First Avenger – Civil War“ inklusive der gesamten Mechanik seines Anzugs designen. Ebenfalls gingen die ersten 15 Minuten der Action des Films auf unser Konto. Die Aufgaben werden von Projekt zu Projekt noch immer größer und aufwändiger, das Vertrauen der US-Studios in unsere Fähigkeiten wächst. Allerdings würden wir gerne auch mal einen 90-minütigen, fotorealistischen Animationsfilm wie „Gravity“ machen.
- Was hat sich seit Ihrer Gründung im Bereich Visual Effects getan? Was wird sich in den kommenden Jahren tun?
- Der Ort des klassischen Studiodrehs wird immer unbedeutender. Vor zwei Jahren haben wir mit Guy Ritchie „Codename: U.N.C.L.E.“ in London gedreht und im Nachhinein die Englischen Straßen ins Berlin von 1963 verwandelt. Die Kunst unserer Branche wird sich in den nächsten 10 Jahren massiv auf das klassische Geschäftsmodell der Filmproduktion auswirken. Zum Glück haben die klassischen Filmstudios diesen Wandel erkannt und arbeiten immer enger mit den Visual Effects Unternehmen zusammen: Sets werden nur zu kleinen Teilen real gebaut, berühmte Locations werden nur digital eingesetzt. Deshalb läuft im Ausland schon jetzt ein Wettlauf um die größten Nachwuchskünstler – Vancouver, London und Wellington als derzeitige Zentren des digitalen Filmschaffens konzentrieren einen Großteil ihrer Energie auf die Visual Effects Industrie. Denn wenn die Geschichte in einer nicht (mehr) real existierenden, digital gestalteten Welt spielt – dann spielt auch der reale Drehort keine Rolle.
- Stichwort Berliner Medienbranche: Wo geht es hin?
- Ich bin überzeugt, dass die von X-Filme und Tom Tykwer produzierte Blockbuster-Serie „Babylon Berlin“ einschlägt wie eine Bombe und Nachahmer findet. Die Streamingportale werden mit Sicherheit nicht das klassische Fernsehen ablösen. Aber es wird den deutschen Filmproduzenten neue Möglichkeiten eröffnen und der dadurch neu entstandene, globale Spielplatz wird sich positiv auf die Qualität der hiesigen Fernsehproduktionen auswirken.
- Ihre liebste Innovation/Erfindung in den letzten 15 Jahren?
- Eine Revolution für unsere Arbeit ist unser 3D LiDAR Scanner, der uns ermöglicht komplette Gebäude und Straßenzüge auf den Millimeter genau in 3D einzuscannen. Bis vor ein paar Jahren mussten wir immer ausgerollte Maßbänder in unsere Referenzfotos legen um später die Maße zu haben. Das gehört zum Glück der Vergangenheit an.
- Und zu guter Letzt: Was wollten Sie uns schon immer mal sagen?
- Bitte bleibt so wie Ihr seid! Bitte seid weiterhin die netzwerkenden Wirbelwinde, die wir so lieben gelernt haben. Eure Energie ist nicht immer für alle sofort offensichtlich, das Ergebnis Eures Wirkens umso mehr. Die Stadt wäre ohne Euch ein ganzes Stück ärmer.
Zeitstrahl 2008: