1. Herr Schäfer, das Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut in Berlin entwickelt derzeit eine „Corona-App“. Worum handelt es sich dabei genau und welche Unternehmen und Institutionen sind noch involviert?

    • Die Entwicklung der Corona-Kontakt-App geht ursprünglich auf eine Initiative des Heinrich-Hertz-Instituts und des Robert-Koch-Instituts zurück. Inzwischen ist das aber zu einer Initiative von acht Ländern geworden und über 130 Wissenschaftler arbeiten an der Entwicklung.

      Diese Initiative läuft unter dem Namen Pan-European Privacy-Preserving Proximity Tracing – PEPP-PT (https://www.pepp-pt.org/). Auf der Webseite sind die aktuellen Partnerorganisationen verzeichnet, darunter auch drei Fraunhofer-Institute (HHI, IIS, AISEC). Es ist davon auszugehen, dass sich weitere Organisationen und Länder dieser Initiative anschließen werden, schließlich existiert sie ja erst seit ca. 4 Wochen.

      Der Zweck der App ist, Kontakte von Personen untereinander zu speichern. Das geht natürlich nur bei Personen, die ein Smartphone mit dieser App bei sich tragen. Ein Kontakt bedeutet dabei, dass sich zwei Personen für mindestens 2 Minuten im Abstand von weniger als 1,5 m nähern.

      Falls nun eine Person positiv auf Corona getestet wird, wird dies dem System mitgeteilt und alle Personen, die mit dieser Person in Kontakt waren, erhalten eine Warnung.

      Das Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut (HHI) ist einerseits für die Koordination des Gesamtprojekts und andererseits für die Durchführung von Tests dieser App im praktischen Betrieb verantwortlich. Der Test dient dazu, die Tauglichkeit der entwickelten App zu testen und ggf. Schwachstellen oder Fehler zu identifizieren, um diese dann zu beheben.

      Es wurden bereits drei Tests in der Julius-Leber-Kaserne in Berlin durchgeführt, an denen jeweils 50 Soldaten teilgenommen haben, weitere Tests werden folgen. Ich selbst bin für die Organisation und Durchführung der Test verantwortlich. In dieser Funktion waren plötzlich Generalmajore, Generäle und Oberstleutnante meine Gesprächspartner, was für mich eine völlig neue Erfahrung ist, zumal ich als Westberliner vorher nie Kontakt mit militärischem Personal hatte. Es ist aber sehr bemerkenswert, wie schnell und wie unbürokratisch die Bundeswehr Ihre Hilfe bereitgestellt hat. Bereits 3 Tage nach der ersten Anfrage konnten wir den ersten Test durchführen.

      Dieser erste Test bestand darin, dass wir an fünf Orten in der Kaserne (drei Innenpositionen und zwei Außenpositionen) Muster an den Böden angebracht hatten, die die Soldaten, die ein Handy mit der App bei sich trugen, abschreiten mussten. An jeder der Positionen mussten sie 2, 4, 6 oder 10 Minuten verweilen. Der ganze Vorgang wurde per Video aufgezeichnet um nachher die exakten Zeitpunkte bestimmen zu können, an denen die Testpersonen ihre Position erreicht hatten und an denen sie diese wieder verließen. Auf diese Weise konnten die exakten Positionen der Handys und damit die Abstände aller Handys im Testfeld untereinander in den ermittelten Zeitintervallen exakt bestimmt werden. Diese Positionen wurden anschließend als „ground truth“ verwendet, um die Korrektheit der Abstandsmessungen durch die App zu validieren. Ein Dokumentation des ersten Tests ist unter https://www.bundeswehr.de/de/aktuelles/meldungen/kampf-coronavirus-bundeswehr-test-app-247120 zu finden.

  2. Wann wird diese App verfügbar sein und wie nutze ich sie?
    • Wie gesagt, die Entwicklung wurde erst vor kurzem angestoßen und das Problem ist sehr komplex. Die Technik beruht auf Bluetooth-Messungen, mit denen sich die Handys gegenseitig orten. Es gibt sehr viele Einflüsse, die diese Messungen beeinflussen, so ist es z.B. ein Unterschied, ob man das Handy in der Tasche trägt oder in der Hand hält.

      Wir haben in der Zeit nach den Tests sehr viele Fortschritte erzielt, sind aber keinesfalls am Ende der Entwicklung. Es war ursprünglich geplant, die App Mitte April zu veröffentlichen, ich kann aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht zusagen, dass dieser Zeitplan auch eingehalten wird.

      Der Nutzer muss letztlich die App nur installieren, weiter muss er sich nicht darum kümmern.

  3. Der Datenschutz steht hierzulande ja an sehr hoher Stelle. Wie ist dies bei dieser App geregelt?
    • Der Hauptgrund der PEPP-PT-Initiative lag genau darin, ein Verfahren zu entwickeln, das absolut datenschutzkonform ist, deshalb wurde der Datenschutzbeauftragte des Bundesregierung von vornherein eingebunden. Wir wollten eben keine der Vorbilder aus China, Singapur und Korea verwenden. Bei PEPP-PT werden weder Ortsdaten noch Personendaten gespeichert. Der Nutzer muss also keine Sorge haben, dass seine Bewegungsprofile erfasst werden, jedenfalls nicht mit dieser App. Das ist extrem wichtig, um eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung zu erreichen, denn nur wenn viele sie nutzen, wird sie auch funktionieren.
  4. Ihr Tipp fürs Home Office?
    • Das gesamte HHI befindet sich im Home Office, nur all jene Personen, die für die Aufrechterhaltung der Infrastruktur notwendig sind (z.B. IT, Technologie) sind im Institut. Ich selbst bin auch die meiste Zeit im Home Office, pendele aber zwischen Heim, Institut und Kaserne. Im Heim sitze ich zumeist am Laptop oder befinde mich in Videokonferenzen, deshalb komme ich gar nicht so richtig dazu, mir Gedanken über diese Frage zu machen. Ich denke aber, dass Bewegung wichtig ist, deshalb setze ich mich so oft wie möglich aufs Fahrrad, um wenigstens etwas Bewegung zu haben. Bewegung ist sicherlich sehr wichtig, letztlich muss aber jeder selbst entscheiden, wie er sich bewegt, Hauptsache ist, man tut es.

       

 

April 2020