Rückschau von Xenia Günther
Annalena Baerbock ist seit 2018 Bundesvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. In Niedersachsen aufgewachsen, studierte sie Politikwissenschaft und Recht in Hamburg und London, ehe es die leidenschaftliche Europäerin über Stationen in Straßburg und Brüssel nach Brandenburg zog. Von 2009 bis 2013 war sie Landesvorsitzende der Brandenburger GRÜNEN und ist seit 2013 Bundestagsabgeordnete. Dort setzt sie sich unter anderem für konsequenten Klimaschutz und die Belange von Kindern und Jugendlichen ein.
Nach einer Begrüßung durch Prof. Dr. Christoph Meinel, Direktor und Geschäftsführer des Hasso-Plattner-Instituts für Digital Engineering gGmbH, und Andrea Peters (CEO media:net berlinbrandenburg) übergab letztere das Wort an die beiden Moderatoren Juliane Adam (CEO Radio-Potsdam) und gregor c. blach (CEO WE DO communication). Juliane Adam stellte die Bundesvorsitzende den Gästen vor, anschließend ergriff Annalena Baerbock das Wort und eröffnete das Gespräch mit einem Impulsvortrag.
Annalena Baerbock lenkte in ihrem Vortrag das Augenmerk direkt auf die aktuellen Geschehnisse. Wir alle leben derzeit in bewegten Zeiten, vor allem für die Medienbranche stelle die Corona-Pandemie einen großen Umbruch dar. Umso wichtiger sei es, gerade jetzt gesellschaftspolitisch im Gespräch und im Austausch miteinander zu bleiben. Die Corona-Pandemie habe die Stärken und Schwächen unserer Gesellschaft offengelegt. Wichtig sei es nun, Lehren aus der Situation zu ziehen und vorzusorgen, um künftig nicht mehr intuitiv in Krisen „hineinzurutschen“. Im Rahmen ihrer Sommertour „zu achten und zu schützen“ besuchten die beiden Bundesvorsitzenden deshalb u.a. Versorgungseinrichtungen, um sich über deren Krisenfestigkeit zu informieren, beispielsweise Klärwerke, Stromnetzbetreiber oder die Müllabfuhr. Sie widmeten sich auch den Fragen der Sicherheitspolitik oder der Digitalisierung an Schulen. Die Palette sei hier lang – gerade kritische Momente wie die Zeit des Shut-downs in Deutschland zeigten aber ganz besonders: Was ist eigentlich die Infrastruktur, die uns zusammenhält? Es sei laut Annalena Baerbock die Pflicht der gesamten Politik da hinzuschauen, wo die Bundesregierung die Belange einzelner nicht genügend wahrnimmt. Auch die Rolle von Medien, Film und Fernsehen müsse stärker in den Fokus rücken. In Zeiten, in denen es besonders wichtig sei, gesicherte Informationen zu erhalten, hätten nicht nur Tageszeitungen einen Sprung gemacht, sondern auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit deutlich höheren Einschaltquoten. Besonders in Hinblick auf den Populismus und grassierenden Verschwörungstheorien sei der Zuwachs an positiven Zustimmungswerten für die Politik in der Coronakrise und das Vertrauen in klassische Medien ein erfreulicher Aspekt. Dennoch bestehe hier weiterhin die Frage nach der Überbrückung der Pandemie angesichts dessen, dass die Branchen der Medien- und Kreativwirtschaft unterschiedlich hart von der Krise getroffen wurden. Solo-Selbstständige beispielsweise müssten noch stärker unterstützt werden. All die getroffenen Maßnahmen zeigen, dass es sich „bei der Kreativwirtschaft um eine Säule der Gesellschaft handelt, die wir auch in der Krise nicht verlieren dürfen“. Die Bedeutung von beispielsweise Babelsberg als zentralem Medienstandort in Brandenburg für die internationale Wahrnehmung sei auch ein Aspekt, der noch stärker nach außen getragen werden muss, um den Anteil der Medienbranche für das wirtschaftliche Wachstum noch deutlicher zu betonen.
Nach Annalena Baerbocks Impulsvortrag war das Gespräch mit den beiden Moderatoren eröffnet. gregor c. blach lenkte die Unterhaltung zunächst auf das Thema der Digitalisierung. Der Moderator sieht hier noch deutlichen Verbesserungsbedarf in Sachen Breitbandausbau. Was würden Die Grünen ändern, wenn sie in der nächsten Legislaturperiode in der Bundesregierung wären?
Für Annalena Baerbock sei es schwer nachzuvollziehen , dass wir in einer Industrienation immer noch solche Unzulänglichkeiten in Sachen Digitalisierung aufweisen. Das Problem sei seit Jahren bekannt, es bewege sich aber zu wenig. „Ein Kommunikations- und Glasfasernetz ist eine Grundversorgung des 21. Jahrhunderts“, so Baerbock. Laut der Bundesvorsitzenden müsse der Staat dafür sorgen, dass es flächendeckend ausgebaut wird und könne es nicht allein der Privatwirtschaft überlassen. Finanziell wären dafür die nötigen Hebel da. Schnelles Internet sei heute Daseinsvorsorge, wie es die Post – mit Briefkästen im ganzen Land – bereits seit langer Zeit ist. Die Grünen würden das Thema Digitalisierung als ein großes Projekt in der Regierung anstoßen, schließlich sei es auch ein Thema, bei dem sich aufgrund vieler Schnittmengen mit anderen Parteien leicht eine Brücke bauen ließe.
Moderatorin Juliane Adam lenkte beim Thema Digitalisierung den Blick weiter auf den Klimawandel, denn Digitalisierung bringt zum Teil auch negative Auswirkungen auf das Klima mit sich. Wie ließe sie sich auch klimafreundlich gestalten? Annalena Baerbock plädiert zum einen auf Regularien z.B. für maximale Stromverbräuche für Neugeräte oder Anwendungen, setzt aber beim Thema Digitalisierung vor allem auf die Chancen. Gerade die Coronazeit habe die Vorteile eines Ausbaus beispielsweise in der Gesundheitsversorgung oder Bildung gezeigt. Wichtig ist für Annalena Baerbock in Hinblick auf die Digitalisierung an Schulen aber auch, dass Kindern bzw. Schüler*innen der Umgang mit Medien frühzeitig beigebracht würde. Hier müsse noch ein großer Sprung gemacht werden. Beim Thema Klimakrise setzt die Bundesvorsitzende auf einen kompletten Umstieg auf erneuerbare Energien und mehr Energieeffizienz.
Stichwort Medien: gregor c. blach führte das Gespräch weiter Richtung öffentlich-rechtlicher Rundfunk. Auf der Website Der Grünen heißt es: „Wir setzen uns für einen zeitgemäßen öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ ein – wie sieht ein zeitgemäßer Rundfunk für die Bundesvorsitzende aus? Was ist momentan nicht zeitgemäß und wie steht sie zu den Rundfunkgebühren?
Annalena Baerbock sieht im öffentlich-rechtlichen Rundfunk das A und O einer starken Demokratie. Daher müsse der Rundfunk auch weiterhin gemeinsam finanziert werden, sie stehe voll und ganz hinter einer Gebührenfinanzierung. Aber zeitgemäßer müsse das Angebot werden, um auch vermehrt jüngere Zielgruppen abzuholen. Weiterhin sollten ihrer Meinung nach mehr Online-Formate entwickelt werden. Damit sei nicht gemeint, das Fernsehen „abzukupfern“ und bspw. die Tagesschau online anzubieten, sondern eigenständige Formate für den Internetauftritt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu produzieren. Außerdem wollen sich die Grünen dafür einsetzen, hier eine öffentlich-rechtliche Plattform zu schaffen, mit der Möglichkeit dass Dritte in solche Online-Angebote einsteigen können.
Abschließend lenkte Juliane Adam das Gespräch auf den letzten Themenschwerpunkt des Politischen Morgens, inwiefern Die Grünen als Partner von Startups agieren.
Die Förderung von Startups hätte für die Partei eine große Bedeutung. Gerade auch in Sachen Nachhaltigkeit seien in den letzten Jahren von Startups viele Innovationen hervorgegangen. Eines der größten Mankos seien bisher die öffentlichen Aufträge: Startups könnten in manchen Regionen eine große Rolle spielen, seien aber von der öffentlichen Hand vor Ort (kommunale Ausschreibungen oder Landesausschreibungen) völlig unter den Radar gefallen bzw. die Ausschreibungsmodalitäten würden auf einzelne Startups nicht genau passen. Zudem bräuchte es von öffentlicher Seite her gerade für die Startups, die bereits Innovationen entwickelt hätten und nun bereit seien, einen großen Sprung zu machen, noch mehr finanzielle Mittel. Annalena Baerbock plädiert hier für eine bessere Mobilisierung von Risikokapitalgebern aus dem Inland.
Im Anschluss eröffnete gregor c. blach die allgemeine Fragerunde und die Teilnehmer*innen erhielten die Möglichkeit, ihre Fragen persönlich an die Bundesvorsitzende zu richten. Es ergab sich ein weiterer interessanter Austausch.
Wir bedanken uns bei Annalena Baerbock herzlich für ihre Zeit und die aufschlussreiche und angenehme Diskussion sowie Juliane Adam und gregor. c. black für die Moderation.
Ein herzlicher Dank gilt weiterhin unserem Gastgeber Prof. Dr. Christoph Meinel und dem Hasso-Plattner-Institut sowie den Gästen für ihre rege Teilnahme.